Verabschiedung, wieder einmal, von lieb gewonnenen Menschen die wir vor zwei Tagen noch gar nicht kannten... Das ist eines der Dinge, die es beim Reisen auszuhalten gilt. Neue Freundschaften schließen, sich zusammen gesellen und wieder getrennte Wege gehen. Meist mit der Gewissheit sich für Jahre oder gar ein Leben lang nicht mehr wieder zu sehen... Ich zumindest scheine mich daran nicht zu gewöhnen und versuche diese Momente zu meiden.
Wir fahren also drei Stunden Richtung Norden. Das war so gar nicht unser Plan. Aber dort lebt nun mal Sohn und Schwiegertochter des gerade verabschiedeten Paares auf einer größeren Cattle Ranch. Und die wollen wir natürlich auch noch sehen vor allem sah sich Tina schon gedanklich auf einem Pferd in die Steppe reiten. Schnell noch einmal umdrehen und die Büffelherde fotografiert. Dann endlich erreichen wir die Kreuzung, die uns empfohlen wurde um einen Stopp einzulegen. Denn in der Nähe soll es einen Amish – Supermarkt geben. Dort füllten wir unsere Essensvorräte auf und gönnten uns ein Sourdough – Sandwich. Beide hatten wir eigentlich etwas anderes erwartet, stattdessen bissen unsere Kauleisten in eher weiches, goldgelb gefärbtes Kastenweißbrot... „Sauerteig“ war das definitiv nicht. Neben Käse- und Wurstprodukten gab es auch exotisches, wie dehydrierte Gemüsechips aus Okraschoten. Da musste natürlich eine Packung den Besitzer wechseln und ich gebe zu: sehr lecker! Tina kann das nicht bestätigen, aber die hatte ich ja auch für mich gekauft.
Am frühen Nachmittag erreichten wir die Ranch und wurden per SMS über die Sichtung unseres Autos informiert. Der Hausherr meinte wir sollen uns wie zu Hause fühlen, er wäre gleich zurück vom Feld. Wenig später fuhr dieser mit Pickup und passend großem Viehanhänger ein. Begrüßte uns recht herzlich und entlud zwei Kühe und ein Pferd aus dem Hänger. Ohne Zeit zu verschwenden ging es für Tina gleich auf das eben entladene Pferd, ein zweites wurde gesattelt und ich war froh für dieses Mal ein Side – by – Side (auch ATV, ähnlich einem Quad, meißt aber mit Fahrerkabine und mehreren Sitzplätzen) nutzen zu dürfen. Wir drei drehten eine Runde über die nahe gelegenen Weiden und begutachteten die grasende Rinderherde.
Wir wurden zu Kaffee und kleinen Snacks ins Haus gebeten und auch sofort mit Bier bedient. Kurz darauf kam auch die Frau des Hauses zurück vom Zahnarzttermin und schloss sich der Trinkrunde mit einem Glas Vodka - Tonic an. Etwas erstaunt öffnete ich meine zweite Dose Bier. Ein Auto war zu hören, die Tür öffnete sich und herein kam der erste Cowboy. Ein Mann im Rentenalter, Schnauzer und Hut gesellte sich nun auch zu unserer Runde. Er ließ sich auf einem der alten Holzstühle, die um den Küchentisch standen, nieder. Ohne zu zögern griff er zur Whisky – Flasche und schenkte sich gekonnt ein paar gute Tropfen ein. Um den Vorgang nicht allzu oft wiederholen zu müssen wurde das Glas fasst halbvoll gefüllt. Scherze und Floskeln über gestern und heute wechselten durch den Raum und einige lustige Geschichten wurden uns erzählt. Ich öffnete mein drittes Bier. Tina stieg nun auch auf Whisky um. Da öffnete sich erneut die Tür und ein weiterer Cowboy schritt herein. Er begrüßte alle und lieferte sich sogleich ein kleines verbales Hin und Her mit dem alten Herrn. Man kennt sich scheinbar, und das auch nicht erst seit Gestern. Der zweite Cowboy: Groß und schlank, jedoch mit einem kleinen „Wohlstandsranzen“, setzte er sich gekonnt auf einen der Barhocker. Lässig baumelte ein Bein, während das andere abgestützt wurde. Mit Drei-Tage-Bart, großflächiger Pilotenbrille nach Vorlage aus den 1960´er Jahren und einem weißen Hut zog er beim Reden einen seiner Mundwinkel sehr weit nach hinten und kaute auf einem Zahnstocher herum. Eine Erscheinung.
Es wurde ebenfalls ein Whiskyglas befüllt und dem Neuankömmling gereicht. Die Beilagen für das Abendessen wurden während dessen bereitet und waren bald fertig zum verspeisen. Der Hausherr verließ ab und zu das Geschehen um sich mit dem vorgeheizten Grill auf der Veranda zu beschäftigen. Es wurde lange diskutiert, wer von den Gästen (von uns abgesehen) zum Abendessen bleiben würde und wer nicht... Es wurde weiter gescherzt und gelacht bis kurz vor dem Servieren der Speisen der ältere der beiden Cowboys sich von seinem Stuhl erhob und das Geschehen verließ. Ich darf vorwegnehmen: Er schaute auch am nächsten Tag wieder in der Küche vorbei. Es wurden mittlerweile die Steaks aufgeteilt und gegessen. Die Köchin selbst hat auf das Abendmahl verzichtet und so scherzte man am Tisch über die Zutaten die sie dem Essen beigemischt haben könnte. Während dessen ließ man es nicht zu, dass eine Kehle auf dem trockenen sitzt und man wurde stets mit gekühltem Bier und Eiswürfel für die Whiskytrinker versorgt. Auch wenn ich gerade eine neue Dose geöffnet hatte und gerade mal ein paar Schluck genommen habe, stand schon die nächste bereit. Zusätzlich wurde auch noch getestet ob die Nachschubdose noch kalt genug sei und gegebenenfalls mit einer Frischen ausgetauscht. So wurde weiter gescherzt und gelacht. Es ging wieder ein Mal um Gott und die Welt, wie man so schön sagt. Die Flaschen leerten sich, es wurden neue auf den Tisch gestellt. Keiner musste verdursten. Die Gemüter wurden mit sinkendem Flascheninhalt zunehmend fröhlicher.
Tina hatte sich zeitweise zu den drei Hunden auf den Boden in Küche und angrenzendem Wohnzimmer gesellt. Die Hunde hatten sich sichtlich über Gesellschaft gefreut. Als Sie sich wieder auf Augenhöhe mit der Runde begab, traute ich meinen Augen nicht als ich das künstliche Fell, gespickt von Krümeln und sonstigem Dreck von Oben bis unten an Ihr sah. Scheinbar hatte die schwarzen Fasern ihrer Kleidung und der Bodenbelag geradezu auf eine Verbindung miteinander gewartet. Es gab keine Möglichkeit, diesen Zustand wieder rückgängig zu machen, ohnehin hatte es außer mir weder jemand entdeckt noch hatte es jemanden gestört. Die Wahrnehmung wurde zunehmend verklärter als sich die Schnapsflaschen weiter leerten. Eiswürfel wurden mittlerweile aus den Reserven in der Gefriertruhe entnommen, da die Eiswürfelmaschine den enormen Bedarf nicht mehr decken konnte.
Fuck, Fuck, Fuck... Ein Wort, das man sicherlich in der Öffentlichkeit nicht zu oft hört. Hier in der Küche dafür umso öfter. Es hätte auch Pulp Fiction in Dauerschleife sein können, das hätte die Fuck – Frequenz bestenfalls noch gesenkt. Ich wurde nämlich von Tina des öfteren ermahnt, wenn ich das Wort denn verwendete. So meinte Sie, die Amerikaner fänden es nicht sehr angebracht. Wir wurden eines besseren belehrt und es wurde nach Lust und Laune mit allen möglichn Ausdrücken um sich geworfen. Ab 23.00 Uhr wurden Wetten entgegengenommen, wie präzise der Wetterbericht denn sei. Es wurde ab Mitternacht Schnee und ein Temperatursturz vorausgesagt. Von +12 Grad sollte es in die Minusgrade gehen. Wir wurden nicht entäuscht. Es gab keine Gewinner und keine Verlierer bei dieser Wette, lediglich die eingetretene Prophezeiung mit einem weiteren Glas Whisky begossen.
Zunehmend setzten Sprachfehler ein, gerade bei den weiblichen Teilnehmerinnen. Ich versuchte meine Dose Bier möglichst lange warm zu halten, bis ich eine neue aufmachen musste. Der Gastgeber war mittlerweile verschwunden und tauchte nicht mehr auf. Ich entschloss mich, nach dem halben Bier zu verabschieden, es war bereits 00:30 Uhr und die Gespräche wurden zeitweise sehr unverständlich, da entweder die Muskulatur nicht mehr in der Lage war die Befehle vom Gehirn in verständliche Laute zu verwandeln, oder aber das Gehirn selbst schon Fehler beim Ansteuern der jeweiligen Nerven machte. Sowohl als auch musste ich leider feststellen, das die Runde von einer lustigen und spitzfindigen Unterhaltung zu einem unverständlichem Gebrabbel auf Kindergartenniveau, sowohl inhaltlich als auch akustisch, geworden ist. Noch einmal holte der letzte Cowboy zu einer Geschichte aus... Es wurden einige Umwege genommen bis die Erzählung dann endlich zum anfangs erwähnten Ende kommen würde. Pointen sehen anders aus! Danach nutzte ich die kurze Gedenkpause der Anwesenden und verabschiedete mich ins Bett. Es war 1.30 Uhr. Gute Nacht.
Was ein Schei......
Wir also wieder weiter auf geplanter Route und mit zunehmender Dunkelheit, nur noch nach einem geeigneten Nachtplatz Ausschau gehalten. Der schnell erreichte Provincial Park war noch geöffnet, die Stellplätze aber nicht vom Schnee befreit. Auf der Weiterfahrt haben wir aber relativ schnell einen geeigneten Platz gefunden, direkt an einem Fluss mit schöner Aussicht. Den oder die Besitzer eines geparkter Pick up und einem Zelt konnten wir bei unserer Ankunft nicht finden.
Nachdem wir unser Zelt aufgestellt hatten und wir ein Bier bzw. Glühwein genossen, erspähten wir eine Person die in voller Camouflage-Montur inklusive Rucksack und Gesichtsmaske einen Weg über den Fluss suchte. Bewaffnet mit einem Bogen schaute die Person des öfteren in unsere Richtung und ich versuchte durch Winken unsere freundliche Absichten klar zu machen. Man weiß ja nie.... Aber meine Gesten wurden nicht erwidert und die Person watete über den Fluss, hoch über die Böschung zum Zeltplatz. Er, mittlerweile als Mann identifiziert, zog sich um und verstaute seine Ausrüstung in Zelt und Pick up. Auch Blickkontakte in der Dämmerung verhalfen uns nicht das Eis zu brechen...
Wie es weiter geht, gibt’s im nächsten Beitrag.